Wir hatten neulich eine einmonatige Phase. Meine Tochter (21 Monate) schrie fast jeden Tag 5-7 h wie am Spieß, weil sie auf unseren Arm wollte. Außer in der Kita, da war sie zufrieden mit normalen Kuscheleinheiten. Immerhin hatte sie durch die Kita einen positiven Ausgleich, über den wir alle sehr dankbar waren.
Was war also los? War sie krank? Nein. Hatte sie Schmerzen? Ziemlich sicher nicht. Stimmt was mit ihr nicht? Ne. Sie ist so normal wie ich es bin. Also vielleicht schon ein bisschen unnormal. Aber eher normal unnormal eben 😀
Sie hat einfach nur Sprechen gelernt. Nach/während dieser Phase hatte sie ihre Sprachexplosion und kann sich nun deutlich besser ausdrücken. Das hat ihr vermutlich Angst gemacht, weswegen sie noch deutlich Nähe bedürftiger als sonst war. Außerdem hatte sie ihren Höhepunkt der Meins-Phase. Sie hatte riesige Angst, andere (gleichaltrige) Kinder könnten ihr etwas wegnehmen. Selbst bei uns Eltern wacht sie jeden Abend, dass in unserem Familienbett die Kuscheltiere alle ihr gehören und wir keinesfalls zu nahekommen oder gar wegnehmen dürfen (was wir nie gemacht haben außer versehentliches Berühren). Die Meins-Phase ist etwas besser geworden, aber dürfte vermutlich noch einige Monate anhalten.
Ja, es war nur eine Phase. Die Phase hat einen Monat gedauert und ging vorüber. Jetzt ist alles wieder normal wie immer. Bedeutet ein typisches High-Need-Kind mit vielen weinerlichen Stunden, aber auch vielen guten Stunden. Leider schläft sie seit Monaten nur 8,5 – 9,5 h nachts plus 1 h Mittagsschlaf. Das ist nachts in etwa mein eigener Schlafbedarf, wodurch die Abende mit Freizeit noch seltener werden.
Wann geht das vorbei, fragen viele bei High-Need-Kindern. Mittlerweile glaube ich, das geht nicht vorbei. Die Ängste drücken sich irgendwann nur anders aus und die Kinder und wir Eltern lernen damit besser umzugehen. Ich erinnere mich, wie ich mit vielleicht 12 Jahren aus der Dusche kam und plötzlich realisiert habe, dass das Universum unendlich ist und sich immer weiter ausdehnt und das alles um mich herum, auch die Dusche, aus Atomen besteht und dass das einfach mega krass ist. Das war extrem überfordernd, aber immerhin musste ich nicht weinen, weil ich schon gelernt hatte, wie man mit krassen, überfordernden Gefühlen umgeht. Meine Tochter muss das alles noch lernen, aber scheint ebenfalls die extremen Gefühle der Ich-Bildung und des Realisierens der Welt zu haben mit all den dazugehörenden Ängsten. Ich hoffe, wir können genug für sie da sein und es ist gut, diese Aufgabe nicht alleine meistern zu müssen, sondern mit Partner und Erziehern genügend Bindungspersonen zu haben, auf deren Schultern sich diese Aufgabe verteilt.
Ich glaube wirklich, dass solche Kinder nicht dazu gemacht sind, nur von einem einzigen Menschen (der Mutter) versorgt zu werden. Diese Aufgabe ist einfach eine so große Last. Ich glaube diese Kinder brauchen ganz besonders dieses Dorf von dem alle immer reden. Sie brauchen ähnlich wie vor tausenden Jahren Gemeinschaften mit Lagerfeuern und mit Menschen, die sich gegenseitig mögen, reden, lachen und gemeinsamen Alltag haben. Wo jeder mal das anhängliche Kind bemuttert, trägt, kuschelt und bespielt.