Elektrotechnik als Frau

Ich möchte euch gerne von meinem Weg zur Elektrotechnik erzählen.
Meine Geschichte soll verdeutlichen, wieviele imaginäre Steine mir in den Weg gelegt worden sind, weil ich eine Frau bin. Wenn ich mir nicht so sicher gewesen wäre und nicht so sehr darauf beharrt hätte, dann hätte ich niemals Elektrotechnik studiert. Weil soviele negative Reaktionen dazu kamen. Dabei hatte ich schon Glück, weil meine Freundinnen alle mathematisch veranlagt waren, mein Papa mein Vorbild war und mich immer gleichberechtigt erzogen hat.

Ich möchte euch ermutigen, eure Töchter in dem Glauben zu erziehen, dass sie ihren Interessen nachgehen sollen. Egal ob das Kunst, Mathe oder was auch immer ist. Frauen können das. Wirklich. Wir sind im Durchschnitt nicht schlechter in Mathe als Männer. Wir können gut sein.

Als ich die beiden Hauptfächer für das Abitur auswählen musste, notierte ich Mathe und Deutsch. Mathe, weil ich darin sehr gut war. Deutsch weil, naja, das macht man halt so als Mädchen.
Ich gab den Wahlzettel ab und lief eine Woche lang hin und her. Aber irgendwas war nicht richtig. Verdammt. Deutsch. Ich mag Deutsch eigentlich nicht sonderlich. Eigentlich mag ich Physik. Mist, zu spät und jetzt.
Die Kurse waren alle geplant und verteilt. Ich fragte kleinlaut an, ob ich meine Wahl noch abändern kann. Durfte ich sehr gerne, weil nur durch mich genügend Leute zusammenkamen für einen Physik-Leistungskurs.

Da ich ja jetzt eh zugegeben hatte, dass ich Physik mag, konnte ich endlich befreit im Physikunterricht mitmachen und musste nicht mehr gelangweilt tun, weil Mädchen ja nunmal gelangweilt sind von Physik.
In Physik mochte ich die Elektronen am liebsten. Strom ist wie Magie. Da passiert etwas auf wundersame Art und Weise und am Ende gibt es plötzlich Licht, PCs und Pokemon auf dem Gameboy.
Ich erklärte meine Absicht Elektrotechnik zu studieren. Mein Vater, der selber Elektrotechnik studiert hatte, fragte mich, ob ich mir das wirklich antun will und nicht lieber etwas einfacheres, wie zB Maschinenbau studieren wollte (sorry an alle Maschinenbauer. Ich weiß das ist auch schwer). Aber ich war mir sicher, dass Elektrotechnik das Richtige ist.

Im Laufe der nächsten Monate und Jahre führte ich folgendes Gespräch immer wieder mit nahezu exakt gleichem Wortlaut: „Und weißt du schon was du nach der Schule machen wirst?“ „Ja. Ich möchte gerne Elektrotechnik studieren.“ – Entsetzte Stille. – Die Männer fingen sich und sagten dann immer: „Oh wow. Cool. Respekt“ Die Frauen sagten dann immer: „Oh… Ist das nicht zu schwer als Frau? Also ich könnte das ja nicht.“

Um mir noch etwas sicherer zu werden, machte ich nach dem Abitur ein kurzes Praktikum in der Elektroabteilung eines großen Autoteileherstellers. Ich lernte löten und den Unterschied zwischen praktischen und theoretischen Ingenieuren kennen. Praktische Ingenieure sind die guten kompeteten. Die theoretischen sind die, denen man erstmal erklären muss, dass in diesen Kabeln Strom durchfließt. Leider gehöre ich zu den theoretisch veranlagten Menschen. Am Ende des Praktikums mochten mich alle Kollegen sehr, fanden mich auch klug, aber rieten mit alle ganz entschieden davon ab Elektrotechnik zu studieren. Das wäre nicht das Richtige für mich.

Ich machte es trotzdem. Im Studium hat zum Glück nie jemand gesagt, ich könnte etwas nicht, weil ich eine Frau bin. Hier ist man schon weiter. Auch jetzt im Job ist es immer normaler, dass Frauen dabei sind und kompetent sind.
Ich bin weiterhin theoretisch veranlagt, habe aber mittlerweile dazu gelernt und kann jetzt sogar wenigstens Stromkabel unterscheiden.

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